Schielen bei Kindern per Smartphone erkennen: der Digital Ruler of Strabismus (DRS)
DRS im Test: Schielen bei Kindern per 30-Sekunden-Smartphone-Video präzise messen. 98% Übereinstimmung mit PACT - für frühe und zugängliche Screenings.
DRS im Test: Schielen bei Kindern per 30-Sekunden-Smartphone-Video präzise messen. 98% Übereinstimmung mit PACT - für frühe und zugängliche Screenings.
© ITHome
Chinesische Forschende haben eine Methode entwickelt, mit der sich Schielen bei Kindern in nur einer halben Minute per gewöhnlichem Smartphone erkennen lässt. Das Leiden ist im Kindesalter verbreitet und kann unbehandelt zu ernsten Sehproblemen führen. Die Hürde in der Praxis ist bekannt: Junge Patientinnen und Patienten können ihre Wahrnehmung oft schwer beschreiben, während frühe Anzeichen leicht übersehen werden.
Bislang brauchte es für eine verlässliche Bestimmung des Schielwinkels eine erfahrene Augenärztin oder einen erfahrenen Augenarzt und einen ganzen Katalog an Untersuchungen. Automatisierte Hilfsmittel setzten sich nie wirklich durch – entweder war die Technik zu teuer oder die Genauigkeit zu gering. Vor diesem Hintergrund wirkt der neue Ansatz wie ein echter Schritt nach vorn in der Kinderaugenheilkunde.
Ein Team um Professor Lin Haotian vom Zentrum für Augenheilkunde der Sun-Yat-sen-Universität und Associate Professor Xu Feng von der Tsinghua-Universität hat den Digital Ruler of Strabismus (DRS) entwickelt. Das Verfahren basiert auf einem digitalen Maskenprinzip und benötigt lediglich einen kurzen Clip – rund 30 Sekunden Video, aufgenommen mit der Kamera des Telefons. Die Software berechnet anschließend automatisch den Winkel der Augenabweichung und stuft die Ausprägung des Schielens mit hoher Präzision ein. Die Idee ist verblüffend einfach – genau darin liegt ihre Stärke.
Die Ergebnisse erschienen am 23. Oktober 2025 in einem dem New England Journal of Medicine angeschlossenen Fachjournal. Die Technik ist bereits durch drei Patente geschützt. Ihre Wirksamkeit wurde in einer großen klinischen Studie an drei führenden augenärztlichen Zentren in China geprüft. Als Vergleich diente der Goldstandard, der Prism and Alternate Cover Test (PACT). Der mittlere Messfehler lag bei lediglich 4,5 Prismendioptrien, die Übereinstimmung mit der traditionellen Methode erreichte 98 Prozent.
DRS erfasst nicht nur, wie stark die Fehlstellung ist, sondern unterscheidet auch zwischen einwärts, auswärts und latenten Formen des Schielens. Zudem zeichnet es dynamische Veränderungen bei intermittierendem Schielen auf – einschließlich der Geschwindigkeit und des Moments, in dem sich die Augen wieder normal ausrichten. Für die klinische Praxis entsteht so ein Werkzeug, mit dem sich der Verlauf in Echtzeit verfolgen lässt.
Im Vergleich zu bestehenden Systemen überzeugt der Ansatz durch Präzision, Einfachheit und Zugänglichkeit. Teure Spezialgeräte sind nicht nötig; der Einsatz ist in kleinen Praxen ebenso denkbar wie in Schulen. Die Entwickler betonen, dass die Technologie groß angelegte digitale Sehscreenings bei Kindern ermöglicht – gerade in Regionen mit knappen Ressourcen – und so Probleme sichtbar macht, die sonst unbemerkt blieben. Wenn die Früherkennung auf einem Gerät stattfindet, das Familien ohnehin dabeihaben, sinkt die Einstiegshürde spürbar – und genau das kann den Unterschied machen.